Nun hat sich – man höre und staune – die Politik dazu entschieden, ein Wunderkraut, das über viele Jahre sowas von verboten war, in naher Zukunft wieder zu legalisieren.[1] Und das in einer Zeit, in der es gerade für Naturheilpraktiker und Homöopathen immer schwieriger wird, zu praktizieren. Diesen Widerspruch verstehe wer will, aber, denn und trotzdem, die Legalisierung der Cannabis Pflanze finde ich persönlich gut. Dieses Gewächs hat zu lange ein Schattenleben gefristet, wurde verteufelt, als Einstiegsdroge verschrien und der Besitz wie der Handel schon fast bei Todesstrafe verboten. Naja, der Tod stand in diesem Land nicht unbedingt auf den Besitz und Handel, doch die Strafen konnten durchaus empfindlich sein. Dabei zählt Hanf zu den ältesten Nutzpflanzen dieser Erde. Das krautige Gewächs ist so alt, dass man noch nicht mal die Namensherkunft, egal ob man nun Hanf oder Cannabis verwendet, mit Sicherheit zurückverfolgen kann. Annahmen gehen von thrakischem oder auch skythischem Ursprung aus. Die Sequenzierung des Genoms lässt darauf schließen, dass bereits im Neolithikum Vorfahren des Hanfs kultiviert wurden. Verbreitet wurde die Pflanze wohl aus dem Asiatischen Gebiet und wächst heute, kultiviert wie wild, in gemäßigten bis tropischen Zonen.
Weil allein diese Anpassungsfähigkeit und damit das Überleben einer solchen Pflanze über eine so lange Zeit schon erstaunlich ist, sollte man sich vielleicht den ein oder anderen Gedanken darüber machen, dass dies womöglich nicht ganz zufällig geschieht. Etwas an diesem Gewächs muss so großartig sein, dass es sich lohnt, sich die Verwendung dieses Lebenskünstlers genauer anzusehen.
Schon in der Antike wurden Hanfsamen in China als Lebensmittel verzehrt, und die nahezu unverwüstlichen Fasern zur Fertigung von Kleidung genutzt, wie schon der Grieche Herodot 450 v. Chr. in seinen Schriften erwähnt. Von Plinius d. Ä. erfahren wir von der schmerzlindernden Wirkung des Hanf. Vom Mittelalter bis in die Neuzeit wurde die Pflanze zur Waffenherstellung (immer wieder Waffenherstellung, die Menschheit scheint an kaum etwas anderes zu denken), für die Produktion von Seilen, Segeln und zur Erzeugung von Papier verwendet. Es erschienen genaue Anweisungen für den Anbau des Multitalents und die Verwendung von Hanfprodukten florierte bis zum ausgehenden 19. Jahrhundert in vielen Teilen Deutschlands, und wahrscheinlich auch andernorts.
Mit der Erfindung der Kunstfasern im Textilbereich und einer medienwirksamen Kampagne gegen Cannabis durch Harry J. Anslinger verschwindet Hanf fast vollständig aus der Wirtschaft. Auch wenn es hier Ausnahmen gab, erlebte Hanf erst in den 1990er Jahren ein Revival. Dennoch wäre das Potenzial für Anbau und Nutzung noch weiter ausbaubar.
Soweit ein kurzer Abriss der Historie. Was aber kann den dieses, im letzten Jahrhundert so verschmähte Gewächs nun wirklich?
Durch seine Festigkeit und Unempfindlichkeit ist es bestens geeignet für nachhaltige Kleidung, in der Schiffahrt[2] und zur Herstellung von Papier. Das hatte ich oben schon angesprochen, das hat sich auch nicht geändert. Was mich jedoch noch viel mehr begeistert an dieser Pflanze ist ihre Fähigkeit, den Boden zu entgiften. Schwermetalle im Boden binden an Polypeptide, die als Reaktion auf Belastung durch z. B. Cadmium, Quecksilber oder Blei u. ä. gebildet werden. Wow, das ist echt ein Ding. Das heißt, Böden können durch den Anbau von Hanf saniert und neutralisiert werden? Leute, ich bin kein Biologe, aber wenn das mal nicht eine Revolution ist! Warum wächst eigentlich noch nicht überall so ein Kraut? Wenigstens im Fruchtwechsel? Hä? Hab ich da was nicht mitbekommen? Oder steht dem ganzen wieder irgendeine schwachsinnige Verordnung im Weg? Dabei wäre Hanf doch nicht nur wegen seiner neutralisierenden Fähigkeit besonders nachhaltig, sondern auch als nachwachsender Rohstoff, der sowohl problemlos zu züchten und vielseitig verwendbar ist, und dabei auch noch völlig ohne Herbizide auskommt, da er so schnell wächst, dass Unkraut aufgrund von Lichtmangel am Boden keine Chance mehr hat. Ich raff das nicht, da muss doch noch was passiert sein, dass man dieser Pflanze ein so sträfliches Schattendasein zugemutet hat, und zum Teil noch immer zumutet.
Abbildung 1 Harry J. Anslinger
Ah ja stimmt. Da war ja noch was. Ich hatte ja schon erwähnt, dass die schmerzlindernden Aspekte des Hanf schon in der Antike bekannt und genutzt wurden. Bis zum Beginn des 20. Jahrhundert wurde Cannabis als Schmerzreduktion zum Beispiel auch für Wehen genutzt. Bereits erwähnt hatte ich ebenfalls eine Kampagne, die von einem gewissen Herrn Anslinger geführt wurde, und die zum Verbot der Cannabis Pflanze führte. Wer aber war dieser Herr, der es schaffte ein solches Multitalent zu verbannen? Was hatte sie ihm getan? Mal sehen, was eine schnelle Recherche so zum Vorschein bringt. Harry war in den 1930er Jahren erster Leiter des amerikanischen Federal Bureau of Narcotics. Er verschrieb sich dem Kampf gegen Drogen, nachdem er ein offensichtlich verstörendes Erlebnis mit einer Morphium Abhängigkeit (nein, nicht seiner eigenen!) hatte. Man sieht schon an dieser Stelle ganz wunderbar, wie Menschen, die durchaus wohlmeinend sind, nicht unbedingt allen wohltun. Auch hier – ich kann es nicht lassen - eine Parallele in Bereiche wie Bildung und Erziehung, Medizin, Politik, et cetera pp. Nach diesem offensichtlichen Erlebnis konnte Harry (übrigens deutsch-schweizerischer Abstammung) nicht anders, als gegen den Missbrauch von Betäubungsmitteln vorzugehen.
Abbildung 2 Werbung zum Film Reefer Madness als Teil einer großangelegten Medienkampagne zur Marihunagefahr 1937
Ob er für die Position, in der er dies konnte, kämpfte, sie sich erschlich oder sie durch wahres Können und Wissen erreichte, ist am Ende nicht der Punkt. Faktisch hat dieser Mann mit Hilfe einer groß angelegten Medienkampagne[3] über die Gefahr von Cannabis erreicht, dass diese per Gesetz geregelt und damit in höchstem Maße eingeschränkt wurde. Viel Geld ist für die Publikation seiner Kampagnen an die Medien geflossen. Das scheint damals wie heute schon gut funktioniert zu haben. Seine Argumentationen erstreckten sich von rassistischen Äußerungen, wie Vergewaltigungen an weißen Frauen durch ethnischen Minderheiten (weil diese ja hauptsächlich Drogen konsumierten), bis hin zu Jugendlichen, die dem Wahnsinn verfallen, im Rausch Selbstmord begehen und eine Unfallgefahr im öffentlichen Verkehr darstellen. Im Oktober 1973 trat dann,
Abbildung 3 Werbung Assassin of Youth 1938
wie könnte es nach so einer medialen Schock-Orgie anders sein, der Marihuana Tax Act[4] in Kraft. Damit wurde der Anbau von Cannabis zunächst gesetzlich versteuert, unterlag der staatlichen Kontrolle und unversteuerter Anbau, Besitz, Verkauf und Konsum war über Nacht strafbar. Gebracht hat es offensichtlich nichts, zumindest dem Staat nicht genug Geld. Das Gesetz wich dem Controlled Substances Act 1970, der als Grundlage die heutige amerikanischen Drogenpolitik regelt und über die Zeit erweitert wurde. In diesem Gesetz fällt Marihuana unter den Anhang I, und ist für medizinische Zwecke damit nicht zugelassen. Zudem zählt es zu den Stoffen mit hohem Missbrauchspotenzial. Unter Anhang II findet sich reines THC (Tetrahydrocannabinol), das weniger Suchtpotenzial aufweist, sowie in Anhang V ein Medizinprodukt namens Epidiolex (Wirkstoff Cannabidiol – auch CBD). Beide sind kategorisiert (wobei die Parameter der Kategorisierung nicht wirklich definiert sind) als weniger suchtgefährdend und zur medizinischen Behandlung zugelassen. Damit fallen sie auch unter FDA- (und damit staatliche) - Aufsicht und Kontrolle. Ein langer Weg, den Cannabis durch und seit Anslinger da genommen hat. Und das alles aufgrund eines Erlebnisses, das ihn offensichtlich geprägt hatte.[5] Wer mag es ihm verdenken? Wenn ich durch meine Wohngegend gehe und mir den ein oder andern Drogenabhängigen so ansehe und daran denke, dass hier andere große und kleine Menschen leben, würde ich wohl ähnlich handeln, hätte ich die Möglichkeit dazu. Oder vielleicht doch nicht? Nun ja, es kommt darauf an, worauf Mensch seinen Blick richtet. Was mich schließlich und endlich zur Frage bringt.
Was wird die Cannabis Legalisierung (so sie denn wirklich kommt) bewirken? Ist sie am Ende BANE or BOON? Führt sie in die Katastrophe oder ist sie Hoffnung für Viele?
Als Schreiberling geht man bei kontroversen Fragen wie dieser dialektisch vor. Ich habe mal gelernt, dass eine dialektische Erörterung eine schriftliche Diskussion eines umstrittenen Thema ist, und man sich möglichst vorurteilsfrei beiden Seiten der an der Diskussion Beteiligten ansehen muss. Allora, vamos muchachos - und selbstverständlich auch muchachas :-)
Was hat das Verbot von Cannabis gebracht? Letztlich führte es in vielen Fällen zur Kriminalisierung von Menschen, die die Pflanze im Eigengebrauch anbauen, verkaufen, kaufen und konsumieren. Dem gegenüber stehen jene, die Hanf mit Erlaubnis anbauen. Mit der Lizenz zum Anbau spülen diese dem Staatsgebilde Geld in die Kassen. Das scheint allerdings nicht besonders lukrativ gewesen zu sein, was die Änderung 1970 in der amerikanischen Gesetzgebung gezeigt hat. Ich nehme an, dass dies auch auf Deutschland und andere Länder zutrifft, kann es aber nicht mit Sicherheit sagen. Bis heute ist zumindest die Nachfrage größer als das Angebot. Nun, das hat ja dann den Vorteil, dass die Produkte teurer verkauft werden. Was wiederum dazu führt, dass viele ihren Hanf illegal anbauen, auch auf die Gefahr hin, bestraft zu werden, wenn die Aktivitäten aufgedeckt werden. Sind die Einnahmen über diese Strafen etwa höher als jene aus legalen Steuern? Dann würde es Sinn machen, Cannabis nicht zu legalisieren.
Was ist mit dem Suchtpotenzial, mag nun der ein oder die andere fragen. Ja richtig, ich erinnere mich, dass auch ich darüber in der 10. Klasse geschrieben habe. Das klang in meiner Erörterung in der Realschulprüfung etwa so: „Ein weiterer Nachteil einer freien Nutzung von Marihuana ist, dass die psychoaktiven Substanzen der Pflanze dazu führen, dass es Fälle gab, in denen Menschen nach Konsum vom Balkon sprangen im Glauben, sie können fliegen.“ Was wusste ich mit 16 Jahren als anständiges, katholisches, bayrisches Dorfmädel? – Genau, nämlich gar nix. Viel zu brav und angepasst war ich, um, wie einige meiner rebellischeren Freunde, das ein oder andere Risiko einzugehen. Ich hatte im Unterricht gut aufgepasst und gelernt, dass Marihuana eine Droge ist, sehr schnell abhängig macht, und es bei einer Cannabissucht niemals bliebe. Zwangsläufig führte der Konsum von THC am Ende in die Heroinsucht und zum unausweichlichen Tod. Ich ließ also die Finger davon. Als ich meinen ersten Joint rauchte war ich 21. Ich bin nicht abhängig geworden, und das obwohl ich ganz klar Suchtstrukturen aufweise. Die Erfahrungen, die ich mit Cannabis und Haschisch gemacht habe, sind keine wirklich große Sache. Haschisch führte zu regelmäßigen mitternächtlichen Fressflashs. Da hatte ich dann keine Probleme mitten in der Nacht Würstchen an der Tankstelle zu kaufen, diese mit verschwommenem Blick in einer Pfanne zu braten und gierig zu verspeisen – 3 Tafeln Milka Noisette hinterher, um dann zufrieden und entspannt auf dem Sofa einzuschlafen. Haschisch (das Harz aus den weiblichen Pflanzen) machte mich so dermaßen gefräßig und faul, dass ich es nicht besonders mochte. Gras, also die getrockneten Pflanzenteile, war da schon eine andere Sache. Ich erinnere mich besonders an eine Situation, in der ich nach Jahren des Nichtkonsumierens eine Freundin zu Gast hatte, die an meinem Küchentisch eine mittelgroße Tüte (oder auch einen Joint) baute. Nun, ein, zwei, drei Mal daran ziehen konnte nicht schaden, denn in der Vergangenheit erinnerte ich mich nur an Abende mit viel Gelächter. Und so kam es auch in diesem Fall. Warum ich an diesem Abend ein Matchboxauto und einen kleinen Plastikhund auf dem Küchentisch hatte, weiß ich nicht mehr. Was ich aber noch erinnere: Nachdem die Wirkung meiner Züge eingesetzt hatte, versuchte ich den Plastikhund, ein Dalmatiner, in den aufklappbaren Kofferraum des Spielzeugautos zu stecken. Der Hund war in etwa genauso groß wie das Auto, weshalb natürlich nur der Kopf oder ein Bein hineinpasste. Ich fand es damals urkomisch, diesen Hund wieder und wieder in diesen Kofferraum hineinzupressen. Noch witziger was es jedes Mal, wenn es dann doch nicht ging. Kichernd habe ich meinen Mann angerufen, um ihm glucksend zu erzählen, dass dieser Hund einfach nicht in den Kofferraum passe. Bis er überhaupt verstand, was ich da faselte, hatte ich mir schon fast in die Hose gepinkelt vor Lachen. Das Ganze hat etwa eine Stunde gedauert, bis ich wieder einigermaßen auf dem Boden der Tatsachen war. An den Spaß erinnere ich mich dennoch gern. Süchtig bin ich, Spaß hin oder her, nicht geworden. Genauso wenig wie jeder andere, den ich kenne. Auf einem Rausch hängen geblieben bin ich glaube ich auch nicht. Ein wenig verrückt war ich auch schon vorher ganz ohne Stimulanzien. Insgesamt gehen Untersuchungen davon aus, dass etwa 1 – 9% aller regelmäßigen Konsumenten süchtig sind. Im Unterschied dazu liegt die Rate der Heroinabhängigen bei 1 bis 3 pro 1000 Einwohner zwischen 15 und 64 Jahren (Piontek et. al. 2017). Cannabis gilt tatsächlich, entgegen der derzeitigen Gesetzeslage, zu den bewusstseinsverändernden Drogen mit nur geringem Suchtpotenzial. Grundsätzlich gehe ich davon aus, dass Menschen mit Suchtstrukturen eher Gefahr laufen, süchtig zu werden. Dabei ist aber der Stoff relativ egal, das kann Cannabis sein, oder Heroin. Aber auch Essen oder Alkohol. Und letzterer ist darüber hinaus völlig legal, also in Beschaffung und Konsum nicht strafbar und sorgt in der Öffentlichkeit viel weniger für Aufmerksamkeit als wahrscheinlich richtig wäre.
Zugegeben, ganz vorurteilsfrei waren diese beiden Argumente nicht. Wahrscheinlich hätte ich meine eigenen Erfahrungen herauslassen sollen. Aber wir sind nicht in der Schule und gewisse Regeln gelten in einem Gedankenexperiment, möge es auch noch so öffentlich sein, nicht. Und weil mir keine weiteren Einwände gegen die Legalisierung der Wunderpflanze Hanf einfallen, wende ich mich den Vorteilen zu.
Vorteil 1: Entkriminalisierung! Eines der vielleicht wichtigsten Argumente für eine Legalisierung. Zur Zeit führt das Betäubungsmittelgesetz in Deutschland lediglich den Konsum von Cannabis als straffrei auf. Der Besitz ist grundsätzlich strafbar. Damit macht sich jeder strafbar, der auch nur „normale Mengen“ Marihuana besitzt, in Umlauf bringt oder kauft. Eine normale Menge bedeutet übrigens eine Menge an Cannabis mit unter 7,5 g THC, was in etwa 100 Gramm Cannabis entspricht. Bei den heutigen hochgezüchteten Pflanzen, die einen schon beim zweiten Zug so umhauen wie ein ganzer Joint vor 20 Jahren, dürfte die Menge sogar noch geringer ausfallen (ja, das ist eine Vermutung meinerseits). Wenn ich so überlege, wie viel der ein oder die andere Userin wahrscheinlich so über dunkle Kanäle (nein, ich habe damit keine Erfahrungen damit) an Cannabis bezieht, sehen sich viele Konsumenten mit durchaus saftigen Strafen konfrontiert. Autsch. Wobei der Verkauf von Cannabis tatsächlich an jeder Straßenecke und an diversen Haustüren von statten gehen – und das auch noch ziemlich offensichtlich (ja, damit habe ich Beobachtungserfahrung und Insiderwissen aus dem erweiterten Bekanntenkreis). Der Kauf von Marihuana zum Eigenkonsum gilt – entgegen der Rechtslage – ja schon fast als Kavaliersdelikt. Durch eine Legalisierung würde diese Art der Kriminalität mit einem Schlag auf Null sinken. Wie sich dabei die Zahlen der Kriminalitätsstatistiken insgesamt verändern würden, muss man abwarten, wenn es denn soweit kommt. Positiv dabei wäre es allerdings, wenn diese Fälle unsere Gerichte nicht mehr beschäftigten und diese sich somit den wirklich schweren Verbrechen zuwenden könnten. Das fände ich auf jeden Fall einen Vorteil.
Eine Entkriminalisierung würde meines Erachtens auch dazu führen, dass die Neugier darauf, etwas Illegales – Verbotenes zu tun bei jungen Menschen sinkt. Dass es eine unbändige Lust auf Verbotenes gibt, das ist Fakt. Fast jeder Mensch kommt in Laufe seines Lebens an einen Punkt der Rebellion. An diesen Punkten wächst die Neugier und die Versuchung, against all odds, threats und must nots, mindestens einmal etwas Verbotenes zu tun. Ich kann mich tatsächlich noch an die kribbelnde Nervosität erinnern, die mich dazu brachte, meinen ersten Joint zu rauchen. Und das auch noch mitten auf der Straße. Angst mischte sich mit Trotz. Oder wie die Wick-Werbung das mal ausdrückte: Aber jetzt zerbeiß ich’s. Ich rechnete damit, dass, sobald der Cannabis Geruch die Nase eines Passanten erreichte, ich von mindestens einer Hundertschaft Polizei, inklusive dreier Drogenspürhunde im Schlepptau, in Handschellen abgeführt werden würde. Und wenn das nicht passierte, dann würde ich wenigstens völlig von Sinnen halb nackt durch die Nachbarschaft spazieren und dann als öffentliches Ärgernis abgeführt werden. Es war der Reiz des Verbotenen, die Auflehnung gegen Erziehung (Alles was recht ist!), das Elternhaus, das Biedere der Gesellschaft, das mich dazu brachte, dieses Stöffchen dann doch mal auszuprobieren. Der Nervenkitzel war toll. Wesentlich anziehender als der erste Glühwein, den ich mit 14 heimlich probiert hatte, oder die Zigarette, die ich mit 13 geraucht hatte, die Warnung meiner Mutter in den Wind schlagend, dass ich dabei erstmal die Hosenbeine zubinden müsste.[6] Nicht halb so verwegen kam ich mir bei diesen Dingen vor, wohl wissend, dass was ich tue, mir eventuell nicht besonders gut bekommen würde, aber eben nicht verboten ist. Wir Menschen scheinen oft so zu ticken, dass uns die verbotenen Früchte ganz besonders verlockend vorkommen. Vielleicht ein Erbe aus uralten Zeiten, in denen es den ersten von uns durch mindestens ein übermenschliches, göttliches Wesen verboten war, von genau einem Baum zu essen. (Lach - vom anderen, der viel wichtiger gewesen wäre, hatte das Gottwesen ihnen erstmal gar nichts erzählt, sonst wäre das mit der Sterblichkeit wohl eher kein Thema.)[7] Zurück aber zum Argument – Erlaubnis setzt die Neugier herab. Es mag Mahner geben, die einwenden, dass ein legaler Zugang zur Droge Marihuana auf Dauer dazu führe, dass junge Menschen früher in eine Abhängigkeit getrieben werden könnten, man sähe das an Alkohol und Zigaretten. Dass letztere für alle so einfach zugänglich sind führt ja nicht prinzipiell in den Missbrauch. Der Missbrauch von Substanzen hat nicht unbedingt etwas mit der Zugänglichkeit zu tun. Ein Abusus, wovon auch immer, liegt nicht an der Substanz, an irgendwelchen Wirkungen, sondern immer in der psychosozialen Persönlichkeitsstruktur. Wer mit sich im Reinen ist, genießt das Glas Wein, den Gänsebraten oder eben auch den Joint, ohne direkt abhängig zu werden. Wer, was auch immer an Substanz dazu benutzt um damit einen äußeren Ausgleich zu schaffen, der im Inneren nicht gelöst werden kann, wird von allem abhängig werden können. So wie der Jugendliche, der nicht mehr von der Seife lassen kann, weil er sich im Inneren schmutzig oder von außen beschmutzt fühlt. Oder die Geschäftsfrau, die sich mit Essen tröstet, weil die Anerkennung im Außen sie nicht ausfüllt. Und weil Frau nicht übergewichtig sein darf, werden Torten, Schokoladentafeln, Erdnussbuttertoasts und die restlichen 5000 Kalorien nach dem Fressgelage wieder ausgekotzt. Es gibt so viele Dinge, von denen man potenziell abhängig werden kann und deren Zugang so einfach ist (weil eben in jedem Laden um die Ecke zu erstehen), dass nur eine einfache und legale Beschaffung kein wirkliches Argument ist. Eine Altersbegrenzung mag sinnvoll sein. Doch die Erziehung von aufgeklärten, selbstverantwortlichen Menschen ist dabei viel wichtiger. Mir ist relativ egal, wer sich womit stimuliert, solange es jedem bewusst ist, welche Folgen diese Stimulation für ihn oder sie hat, sie diese selbst trägt und dabei keinem anderen schadet. Wer Schaden für sich selbst oder andere produziert, hat am Ende auch dafür gerade zu stehen. Wer das weiß, und ein mit sich zufriedener Mensch ist, darf von mir aus alles konsumieren und für sich entscheiden, was ausreichend ist. Wer sich gern abschießt, weil er glaubt, dass man das nach einem harten Tag braucht, oder weil sie das unter Party machen versteht, darf auch das gern legal tun, solange für den Schaden anderer aufgekommen wird, wenn er denn verursacht wird. Das eigene Leiden hat man sowieso selbst auszuhalten, wenn die dicke, schwarze Katze im Kopf einem den Tag nach dem Saufgelage versaut. Wer zu viel THC konsumiert hat, und die Kontrolle verliert, der hat wahrscheinlich noch ein ganz anderes Problem, das viel eher angegangen werden muss, als eine Strafe für den Konsum einer Pflanze. Ja, ich bin absolut für Eigenverantwortung, und dafür darf es auch für die Nutzung von Cannabis, das wesentlich weniger süchtig macht als so manche Schmerztablette, die wie Smarties von Ärzten verschrieben werden, kein Verbot geben. Wenn Legalisierung und Selbstverantwortung selbstverständlich werden, wachsen junge Menschen auch in dieser Selbstverantwortung auf. Und das wollen wir doch.
Ja, wir wollen das. Doch da gibt es eine beachtliche Gruppe von Entitäten, die daran nicht ganz so viel Interesse haben und diese Lobbygruppe hat ein sehr großes Interesse, den Status Quo zu erhalten. Ich spreche von der Strafverfolgung selbst und von Regierungsbehörden und Interessengruppen, die nur wegen des Verbots von Cannabis existieren. Sie wären die großen Verlierer wenn durch eine Legalisierung alle Nutzer (Konsumente, Käufer, Verkäufer und Produzenten) mit einem Schlag entkriminalisiert werden. Und noch eine Gruppe hätte das Nachsehen. Jene, die durch kriminalisierte Konsumenten Geld verdienen, wenn sich diese einem Entzug stellen. Nicht auszudenken, wenn Menschen, die Cannabis konsumieren weder im Strafvollzug noch im Entzug Geld bringen. Geld das bisher übrigens immer vom Steuerzahler aufgebracht werden muss. Noch Fragen, warum es so lange dauert mit der Legalisierung?
Weil ich schon bei der historischen Betrachtung auf die industriellen Zwecke und geobiologischen Vorteile der Hanfpflanze eingegangen bin, werde ich diese positiven Aspekte hier nicht nochmal aufgreifen. Die medizinische Perspektive lohnt sich aber durchaus. Seit dem 10. März 2017 erlaubt es der deutsche Gesetzgeber (vielen Dank für diese Erlaubnis Herr/Frau/Divers Gesetzgeber), dass Cannabisarzneimittel verschrieben werden dürfen. Ja wie kam das denn? Hatte da jemand verstanden, dass schmerzlindernde Wirkungen der Hanfpflanze eventuell nicht ganz so schädigend und gleichzeitig süchtig machend sind wie zum Beispiel Oxycodon? Man glaubt es kaum. Aber er ist wahr. Die Medizin (oder wer auch immer) entdeckte die Natur wieder. Lag es am Skandal um Oxycontin, und wollte man eventuell eine Opioid-Krise wie in Amerika verhindern?[8] Ich weiß es nicht. Doch offensichtlich konnte man sich nicht weiter gegen großangelegte Studienergebnisse wehren, sowohl was die negativen Folgen von künstlichen Opiaten als auch die positiven Wirkungen von Cannabis betrifft. Anders als Opiate hat der schmerzlindernde Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (mittlerweile oft CBD genannt) des Hanf keine negativen Auswirkungen auf menschliche Organe. Ein eklatanter Vorteil gegenüber anderen Schmerzmitteln. So kann schon eine so unschuldig wirkende Ibuprofen zu Herz- und Kreislauferkrankungen führen. Warum man bisher noch immer bei einem Schmerzzustand die Frage hört: Hast du schon eine Ibu genommen? und eben nicht: Hast du noch genug CBD im Haus? liegt wohl daran, dass einerseits vielen noch gar nicht bewusst ist, wie perfekt CBD an die Nervenrezeptoren bindet und somit Schmerzen lindert ohne dabei an Areale zu binden, die lebensbedrohlich sind (z. B. Atmung). Auch Ängste, die durch die letzten 100 Jahren geschürt wurden, wie eine veränderte Wahrnehmung durch CBD, halten noch viele von der Nutzung ab. Und sie sollen davon abgehalten werden – möglichst auf Dauer. Daran hat die Pharma seit mehr als 75 Jahren hart gearbeitet. Würde CBD und mit der Legalisierung von Cannabis auch das THC legalisiert werden und damit jedem auch auf privatem, nicht staatlichem Wege freistehen, würde dies auf Kosten der Pharma gehen. Und wo kämen wir denn da hin, wenn jene, die doch so sehr gegen Drogen kämpfen nicht mehr dazu kämen, ihrem Geschäft nachzugehen, nämlich (ihre) Drogen zu vermarkten. Dämmert es mittlerweile auch dem Letzten?
Ich weiß, ich weiß, ich habe schon wieder gegen die Regeln einer schriftlichen Diskussion verstoßen, indem ich meine eigenen Pro-Argumente etwas – nun ja – gewürzt habe. Sei’s drum. Ich nehme mir die Freiheit. Ich hoffe, dass deutlich geworden ist, dass ich, trotz der Restrisiken, die im Leben grundsätzlich immer bestehen, mich ganz deutlich für eine Legalisierung ausspreche. Und das sogar, obwohl ich weder die Not noch das Bedürfnis verspüre, davon selbst Gebrauch zu machen. Obwohl, als Medizinprodukt kann ich mir das durchaus vorstellen, wenn es einfacher zugänglich ist. Die nächste Migräne kommt bestimmt.
Grundsätzlich gilt für die Legalisierung von Cannabis: Es ist eine wunderbare Pflanze mit Potenzial für zahlreiche Aspekte unseres Lebens von industriellen Verwendung bis in die Medizin. Wie auch bei vielen anderen Themen, die uns begegnen gibt es viele Chancen für positive Ergebnisse, sowie auch einige mögliche negative Konsequenzen. Doch das ist überall so. Und damit in Selbstbestimmung und ohne staatlichen Reglementierung und verordneten Sanktionen zu leben und selbstverantwortlich umzugehen, ist es, was Menschsein wirklich bedeutet. Die Freiheit der Wahl in voller Aufklärung – im Bewusstsein der Konsequenzen, die zu tragen sind. So einfach ist das. Ob die Politik das so sehen wird, weiß ich nicht, denn sie und ihre Lobbygruppen haben sehr viel zu verlieren.
[1] Nun ja, bis heute Stand 07.01.2024 hat man sich noch nicht zu mehr als bloßen Worten durchgerungen. Und auch die Grüne Jugend beginnt langsam aber sicher vor Ungeduld mit Meuterei und Stimmentzug zu drohen. Man möge mir den Seitenhieb auf die politische Lage verzeihen. Manchmal fällt es schwer, dauerhaft den Mund zu halten. Selbstzensur ist nicht so meine Sache.
[2] Nein! Ich werde dieses Wort NIEMALS mit 3 f schreiben.
[3] Hier nenne ich nur zwei seiner Öffentlichkeitsaktionen, die nur einen Ausschnitt seines persönlichen Feldzuges zeigen. Film: Reefer Madness (1937); Marihuana – Assassin of Youth. In: American Magazine (1937). Weitere Recherchen sind erlaubt und erwünscht.
[4] Ich beziehe mich hier v. a. auf die amerikanische Historie, da die deutschen Gesetze dieser auf die ein oder andere Weise sehr ähnlich folgten und folgen
[5] Hier übrigens wirklich stark abgekürzt. Ich halte meine Leser allerdings für so erwachsen, dass sie weitere Suchen selbständig durchführen können. Womit auch Kritik an meiner Recherchefähigkeit möglich wird. Wie immer sehr gern. Meine Recherchen stützen sich auf schnelle Internetquellen – damit sind die ersten Suchanzeigen gemeint, die nach der Eingabe eines Suchbegriffes erscheinen. Nein, extensiv ist das nicht, doch ich schreibe keine wissenschaftliche Abhandlung, sondern nur Gedankenexperimente!
[6] Was das bedeutet, kann sich jeder selbst ausmalen. Passiert ist es übrigens nicht. Nur fürchterlich schlecht wurde mir.
[7] Wer die Geschichte nicht kennt, darf sich gern mal mit dem ersten Kapiteln des ersten Buches des Pentateuch auseinandersetzen. Und nein, ich halte diese Geschichte nicht für absolut real, aber sie beschreibt hinlänglich einige Züge der Menschheit und ihres Verhältnisses zur Autorität.
[8] Wer mehr über Ursachen erfahren möchte, recherchiere die Geschichte des Pharma Unternehmens Purdue Pharma. Ich wünsche viel Grusel und haltet eine gute alte römische Brechschale bereit.