Die Wahrheit ist wie ein Tsunami. Zuerst gibt es ein starkes Beben, irgendwo tief im Inneren der Erde, die an dieser Stelle noch mit tonnenschweren Wassermassen bedeckt ist. Von außen ist das Beben gar nicht sichtbar und dennoch ist es da. Durch die Erschütterung werden die Wassermassen in Bewegung gesetzt. Die Wahrheit mischt die Umgebung auf.
Weit, weit weg an Land zieht sich das Wasser zunächst zurück. Irgendwas hat ihm gesagt, dass weit draußen auf dem Ozean etwas geschieht - sich die Wahrheit ausbreitet. Da möchte es auch dabei sein. An Land vergrößert sich die Bodenfläche. Wer Augen hat und die Natur versteht, weiß, dass bald etwas Großes kommt. Vielen aber wird nichts weiter auffallen, oder sie freuen sich sogar darüber, dass der Boden, den sie so achtlos nutzen, nun noch weiter geworden ist. In ihrer Bequemlichkeit können sie sich ganz ohne Anstrengung weiter ausbreiten, so denken sie.
Derweil schicken sich die Wassermassen an, die Wahrheit auch an Land zu tragen. Die Wellen auf dem freien Meer sind noch unscheinbar, kaum zu sehen da draußen. Denn dort gibt es keinen Widerstand. Frei und offen ist das Wasser, freudig nimmt es die Information auf. Je näher die Wahrheitswelle aber an Land kommt, desto mehr Widerstand schlägt ihr entgegen. Die Landmasse will nicht weichen und stemmt sich der Welle entgegen. Doch mittlerweile ist ihre Kraft so gewaltig, dass sie nicht anders kann als zu fließen.
Der Widerstand, der ihr entgegenschlägt ist zwecklos. Die Welle kann nicht gebremst werden. Sie türmt sich auf, wird größer und größer. So langsam merkt auch der Bequemste an Land, dass da etwas Mächtiges anrollt. Ein Entrinnen ist nicht mehr möglich. Wer nicht frühzeitig erkannte, was da an Wahrheit anrollt, wird unweigerlich verschlungen werden müssen von der Welle der Wahrheit, die alles verschlingt, was ihr nicht entspricht.
Die Lügengebäude werden weggeschwemmt, und mit ihr alles, das sie unterstütze. Vieles geht zu Bruch, auch mancher Leuchtturm, der schon immer von der Wahrheit kündete. Doch den Leuchttürmen war dieser Moment schon lange bewusst. Freudig stimmten sie ihrer Aufgabe zu, welches Opfer auch immer das für sie bedeutete. Was ist schon ein Leuchtturm im Angesicht der Wahrheit? Die Welle ist das, was zählt. Ihre Kraft der Erneuerung.
Überall dringt das Wasser ein, nimmt mit, was vergangen ist, verändert das Angesicht des Landes. Wenn sich die große Wassermasse wieder in den Ozean zurückzieht mag die Wut der Zerstörung zunächst wie Ruinen erscheinen, in denen Leben nicht mehr möglich ist. Doch dies ist nur ein vorübergehender Zustand. Alles, was die Wahrheit aufgenommen hat, wird neu erblühen.
Das ist meine Hoffnung im Angesicht der Naturgewalt.
👏🏻👏🏻👏🏻 Schön geschrieben!
>Krise kann ein produktiver Zustand sein. Man muss ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen.< Max Frisch